
BAP Akademie: „Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich Personaldienstleister in diesem Jahr aus personalpolitischer Sicht stellen?“
Waltraud Gläser: „Mit Ihrer Frage grenzen Sie die vielfältigen Herausforderungen der Branche schon etwas ein. Und das ist gut so! Denn inzwischen wächst gerade aus personalpolitischer Sicht eine schon lange Jahre bestehende Herausforderung zu einem echten Problem heran – nämlich die Auswirkungen der Demografie und die fehlenden Antworten darauf.
Die Geschäftsmodelle der PDL drehen sich immer um Menschen. Deren Beschaffung, Aus- und Weiterbildung und Sicherstellung der Beschäftigungsfähigkeit sind der Kern und somit das „Produkt“ (bewusst in Anführungszeichen!), mit dem die unterschiedlichen Märkte bedient werden sollen.
Wenn also das „Produkt“ und somit ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells sich derart verknappt und sogar nicht mehr verfügbar wird, geht im schlimmsten Fall die Geschäftsgrundlage verloren. Es sind also existenzielle Fragen, denen Unternehmer*innen der PDL gegenüberstehen und dafür rechtzeitig und passend Lösungen finden müssen. Die häufig genannten weiteren Herausforderungen, die der Digitalisierung zugeschrieben wird, können dabei sowohl Lösung als auch Problem sein. Auf jeden Fall ist sie im gesamten Kontext der Situation von PDL zu berücksichtigen und darf entsprechend bewirtschaftet werden.“
BAP Akademie: „Inwieweit sind wirkungsvolle Führungstechniken gerade für Führungskräfte in der Personaldienstleistungsbranche von erheblicher Bedeutung und wie unterschieden sie sich von denen in anderen Branchen?“
Waltraud Gläser: „Führung und Führungstechniken sind nie Selbstzweck. Als Führungskraft geht es immer darum, wirksam zu sein bzw. Wirksamkeit zu erzeugen. Führung ist echte Arbeit! Sie muss gewollt und gekonnt sein. Vor dem Hintergrund der immer diverser werdenden Belegschaften und der Komplexität des Alltags mit Mitarbeiter*innen steigen die Anforderungen an Führung. Das gilt insbesonders auch für Teams von Personaldienstleistern, die ich immer als die Summe der internen und externen Mitarbeitenden (die im Kundeneinsatz sind) ansehe. Schon alleine das macht einen Unterschied in der Führungspraxis.
Mitarbeitende, die ihren tagtäglichen Einsatz beim Kunden haben, wollen dennoch Führung erleben. Denn der Arbeitgeber ist ja das Zeitarbeitsunternehmen und nicht der Kunde (der zudem nur Weisungsbefugnis hat). Führung im internen Team kann unmittelbarer erfolgen. Allerdings dominiert in vielen Unternehmen das operative Geschäft und Führung wird eher zur „Nebensache“. Dadurch werden wertvolle Chancen vergeben, auch was bspw. die Zugehörigkeitsdauer und Fluktuation, aber auch Personalentwicklung angeht.
Relevanz hat zudem das „virtuelle“ Führen bekommen, auf deren Herausforderungen sich Führungskräfte seit der Pandemie verstärkt einstellen müssen. Das ist für viele neu und ungewohnt und benötigt Praxis und ggf. andere Methoden und Prinzipien von Führung.
Ein weiterer Aspekt ist, dass es nicht DIE eine Führungstechnik gibt und alles wird gut. Der Werkzeugkoffer einer wirksamen Führungskraft muss daher sehr gut und passend gefüllt sein. Speziell in Hinblick auf Leadership in Abgrenzung zu Management. Sobald Menschen im Spiel sind, wird es komplex. Das darf besser verstanden und im Umgang miteinander bewusster berücksichtigt werden. Dieser Umstand ist auch ein Grund, warum wir das Programm „Psychologie der Mitarbeiterführung“ aufgesetzt haben.“
BAP Akademie: „Welche Maßnahmen können Personaldienstleister in Zeiten des akuten Fachkräftemangels ergreifen, um insbesondere für kleine und mittelständische Kunden zum gesuchten Ansprechpartner für Qualifizierungsmaßnahmen zu werden?“
Waltraud Gläser: „Lassen Sie mich da gerne mit Eigenwerbung starten! Mit unserem Online-Training:
„Vom Personalgesteller zum Personalentwickler – Qualifizierung als Teil des Geschäftsmodells“ thematisieren wir genau diese Möglichkeiten. Es geht dabei um das ggf. neue und vor allem dezidierte Selbstverständnis des PDL, eben nicht nur „Beschaffer“, „Personalgesteller“ oder „verlängerte Werkbank“ zu sein – um nur einige gängige Bezeichnungen zu benennen, unter denen ja nicht nur die Entleiher, sondern auch potenzielle Mitarbeiter*innen die Zeitarbeitsunternehmen wahrnehmen. Dadurch wird wertvolles Potenzial verschenkt oder zumindest unzureichend angesprochen.
Es ist noch zu wenig bekannt und bewusst, welche unglaublichen Möglichkeiten die Beschäftigung in einem solchen Unternehmen sowohl für die Arbeitskräfte als auch für die Kunden bestehen. Und gerade Firmen, die es ernstnehmen und mit der erweiterten Rolle im Markt wahrgenommen werden möchten, brauchen dahingehend eine Professionalisierung.
Zudem sind Partnerschaften sowohl mit Kunden als auch der Bundesagentur für Arbeit wie unterschiedlichsten Bildungsträgern relevant, um gemeinsam dem nicht kleiner werdenden Problem endlich die passenden Konzepte entgegen zu stellen. Dazu zählen auch Qualifizierungsverbünde, die gerade für kleine Unternehmen eine praktikable Option darstellen.“